Das vorliegende Dokument hat kein Datum. Es gehört zu den Papieren, die vom Regierungsmitglied des Großherzogtums Hessen, Geheimrat Siebert, im Juli 1819 beschlagnahmte. Es würde teilweise auf vorgedruckten Amtsvorlagen des Hofgerichts der Provinz Starkenburg, wo Rühl als Gerichtsadvokat tätig war. Auf fast jede Seite sind Passagen durchgestrichen und mit anderen Formulierungen ersetzt worden. Stellenweise sind Wörter mehrfach durchgestrichen und an der Stelle wurde ein anderes Wort eingeschoben. Das sind Merkmale eines mehrfach überarbeiteten Entwurfs. Auch der Schreibweise deutet darauf hin, dass Geschwindigkeit und nicht Lesbarkeit die höchste Priorität hatte.
Gleich am Anfang schreibt Rühl über das Glück eines Volkes. Es fallen Formulierungen wie „rechtl. u sittl. Eigenthumlickeit“, „mit seinem frühesten Leben“, „Erben“, „Vollkommung des Geistes + Herzens“ und „tüchtiger Freiheit“. Es ist relativ gut erkennbar, dass er das Glück des Volkes mit einem geeinigten Nationalstaat verbindet. Er schreibt: „Vor allem ist es, wie wir schon überzeugend genug erwiesen zu haben glauben, nothwendig, daß Teutschland in seiner Ganzheit wiederhergestellt werde,[…]“ (HStAD Fonds D 12 No 40/12, S. 37f). Am Schluss bekräftigt er dieser Ansicht wie folgt: „Ferner thut es nun Noth, daß die einzelnen Staaten, aus denen Teutschland besteht, in ein angemeßeneres Verhältniß unter sich u zum Ganzen gebracht werden, als in welchem sie jetzt stehen“ (Ebd. S. 40).
Fast genauso deutlich ist seiner Ansicht, dass „Fremden“ die Ursache für Deutschlands Notsituation sind. Zum einen sieht er eine Gefahr „Fremde“ im Staat aufzunehmen und bezieht sich hier auf die Geschichte Griechenlands, Roms, des Heiligen Römischen Reichs und Frankreichs: „so lange sie in ihrem eigenen Volksleben …, herrlich u groß …, als aber durch Eroberung und Unterjochung ihr eigene Erben der mit fremden vermischt ward, untergingen + ins Verderben stürzten und endlich durch darin“ (Ebd. S. 21). Er gibt aber auch die „Fremden“ die Schuld dafür, dass Deutschland zersplittert ist. Dazu schreibt er: „Unsere Einheit ist noch im[m]er auf den Bund gegründet, mit dem uns die Fremden beglückten“ (Ebd. S. 33) und spricht wahrscheinlich den Deutschen Bund, der nach dem Wiener Kongress gegründet würde. Ferner schreibt er: „Um den deutschen Fürsten die Liebe ihres Volkes zu entziehen, sind seine von der Fremden so sehr getrübt u gedrengt worden, daß sie um diesen Drück zu ertragen, genöthigt waren, ihn … die Schranken des Rechts, die dieß verhinderten niederzureißen“ (Ebd. S. 32f) und „Hierdurch ist diesen Einzelnen die Möglichkeit gegen, entweder allein, od. in einer … zu bewirkenden … mit den Fremden dem Ganzen verderblich zu werden, […] (Ebd. S. 40).
Es scheint mir, als ob Rühl fremde Staaten oder Herrscher beschuldigt, einen vereinten deutschen Nationalstaat zu verhindern, in dem sie die einzelnen deutschen Fürsten ermächtigen und dazu zwingen, ohne Rechtsgrundlage über die deutschen Volker zu regieren. Wer diese Staaten sind, schreibt er nicht. Ich vermute, dass er Frankreich dazu zähl, obwohl Napoleon gerade besiegt wurde und Frankreich seine Machtposition dadurch zunächst verloren hatte. Vielleicht meint er aber auch Österreich, obwohl dieser Staat zum deutschen Volk im Kern gehört. Da kommt möglicherweise der Zusammenhang mit dem Hinweis auf den Römer her, die durch Eroberung von fremden Volker in ihrem Reich aufgenommen hatten, ihr Untergang verursachten.
Woher er die Hoffnung, die er im Titel schrieb, findet, ist mir unklar. Möglicherweise deutet er auf die Bewegung, die durch Rechte und Sitten, die Einigung vorantreiben will. Folgende Formulierung geht in diese Richtung: „Es sind so viele … aus den Herzen der Vaterlandsfreunde laut erklungen über das, was gut ist für uns, und was also sein muß, wenn wir die Herrlichkeit und die … bei uns wiederhergestellt sehen wollen; […]“ (Ebd. S. 36).
Leider ist es durch die mehrfachen Überarbeitungen am Text und die schlechte Lesbarkeit schwierig, eine klare Argumentationskette zu finden. Es sind nur Hinweise auf eine Fremdenfeindlichkeit und einen Wünsch für eine Einigung Deutschlands auf der Basis vom Rechtsstaat, Tugenden und Sitten.
Als nächstes schaue ich die weitere Text aus den beschlagnahmten Papiere an.