Auswertung der „Hessen-Darmstädtische Actenstücke“

Unter dem Titel „Hessen-Darmstädtische Actenstücke, die Einführung einer ächten landständischen Verfassung betreffend“ veröffentlichen die Ausschussmitglieder der Provinz Starkenburg wahrscheinlich im Spätsommer oder Herbst 1819 eine Sammlung von Protokolle, Bittschriften, Beschwerdeschriften und weiter Dokumente. Sie sind in 5 Bänder veröffentlicht worden. Das erste Dokument ist das Protokoll der Versammlung von Vertreter aus mehreren Orten der Provinz Starkenburg in Zwingenberg am 14. Februar 1819. Das letzte Dokument scheint ein ministerialer Eingangseintrag, der den Erhalt einer Vorstellung vom 5. Juli 1819 aus dem Odenwald protokolliert.

Die Ausschussmitglieder, die diese „Actenstücke“ veröffentlichten, sind auf der Versammlung in Zwingenberg gewählt worden und bestand aus einem Vertreter für jede der 8 Bezirke der Provinz Starkenburg, zwei zusätzliche allgemeine Vertreter für die Provinz und zwei Juristen als Rechtsbeistand. Gewählt wurden die folgenden Personen:

  1. für die Ämter Babenhausen, Seeligenstadt, Steinheim, Dieburg, Franz Bauer von Seeligenstadt.
  2. für die Ämter Umstadt, Habitzheim, Reinheim, Lichtenberg, Gerichtsschöffe Wilhelm Rapp von Habitzheim
  3. für die Ämter Darmstadt, Kelsterbach, Rüsselsheim, Dornberg, Dreyeich, Stadtschultheiß, Lochmann von Groß-Gerau.
  4. für die Ämter Gernsheim, Pfungstadt, Zwingenberg, Lorsch, Stadtschultheiß Feyler von Gernsheim.
  5. für die Ämter Bensheim, Heppenheim, Lampertheim, Schönberg, Stadtrat Lorenz Müller von Heppenheim.
  6. für die Ämter Fürth, Waldmichelbach, Berkenau, Wimpfen, Hirschhorn, Jonathan Hellmann von Neckarsteinach.
  7. für die Ämter Freyenstein, Erbach, Reichenberg, Fränkisch Crumbach, Gerichtsschultheiß Dingeldein zu Reichelsheim.
  8. für die Ämter Michelstadt, Breuberg, König, Rothenberg, Oßberg, Amtsverweser Bogen aus Michelstadt.
  9. als allgemeine Vertreter, Schultheiß Philipp Tryser von Auerbach, Schultheiß Göbel von Grosrohrheim.
  10. und die Rechtsbeistände, Hofgerichtsadvokaten Heinrich Karl Hofmann zu Darmstadt und Wilhelm Stahl zu Zwingenberg

Dokumente aus der Provinz Oberhessen sind auch in der Sammlung enthalten. Es gibt keine Dokumente und keine Erwähnung der Provinz Rheinhessen. Ein Ausschuss in Oberhessen ist auch entstanden und hat die Aufgabe, ihre Beschwerden und Bitte für eine „ächte“ landständische Verfassung zu den von Starkenburg hinzufügen. Der Rechtsbeistand und Pendant zu Heinrich Karl Hofmann und Wilhelm Stahl in Oberhessen war Ludwig Welcker.

Der erste Erfolg konnten die Ausschussmitglieder am 15. März 1819 als die Verordnung des Großherzogs vom 18. Februar 1819 veröffentlicht wurde. In der Verordnung läßt der Großherzog verlauten, „daß die erste Ständeversammlung im Maimonat des kommenden Jahrs 1820 in Unsere Residenz einberufen werde, und daß eine umfassende Konstitutions-Urkunde vor diesem Zeitpunkt bekannt gemacht werden soll.“

In den folgenden Dokumenten ist es ersichtlich, dass dieses Versprechen des Großherzogs für die Verfechter der Verfassung nicht zufriedenstellend war. Im Protokoll der folgenden Sitzung stellen die Ausschussmitglieder zwei Mängel fest. Erstens ist der Zeitpunkt der Einführung zu spät und zweitens, dass die Verfassung nicht „vertragsweise“ zwischen dem Großherzog und das Volk ausgearbeitet wird. Ihr Argument ist, dass der Not im Lande so groß sei, dass keine weitere Verzögerung verkraftet werden könne. Diese Argumentation wiederholen sie in weitere Bittschriften bzw. Beschwerdeschreiben.

Nach den ersten Versammlungen begeht Karl Sand am 23. März 1819 das tödliche Attentat an August Kotzebue. Daraufhin verbot der Großherzog durch eine Verordnung vom 1. April 1819 alle weitere Gemeinde übergreifende Versammlungen und die Bildung von Ausschüssen aus solche Veranstaltungen. Die Ermordung Kotzebues durch Sand wird nicht in den weiteren Protokollen oder Petitionen an den Großherzog. Die Ausschussmitglieder beschweren sich gegen das Versammlungsverbot und halten ihre Forderungen für die sofortigen und vertragsmäßigen Einführung der Verfassung aufrecht.

Als klar wurde, dass das Versammlungsverbot nicht aufgehoben bestehen bleibt, haben die Ausschussmitglieder ihr Ausschuss angekündigt. Sie stellten ihre Aktion für die Einführung der Verfassung aber nicht ein, sondern führten sie weiter, dieses Mal aber im Name tausende „Familienväter“ und einzelne Gemeinden. Sie bemühten sich Belege für die Notlage zu liefern und beschuldigten vermehrt die Staatsdiener übermäßig hohe Steuersätze zu verhängen und zweifeln die Zweckmäßigkeit der Staatsausgaben an. Die nun ehemaligen Ausschussmitglieder drängten darauf, dass sie ihre Beschwerden direkt an den Großherzog richten und verlangen, dass die korrupten Staatsdiener zur Rechenschaft gezogen werden. Letztendlich argumentierten sie, dass nur eine „vertragsweise“ eingeführte Volksvertretung die Korruption beseitigen könne.

Das letzte Dokument in der Sammlung ist praktisch die Bestätigung, dass Georg Bogen Petition (von Georg Rühl abgegeben) beim Staatsministerium eingegangen ist. Sie trägt das Datum 5. Juli 1819. Ungefähr zwei Monate später, am 20. September 1819, wurden die ersten Verhaftungen ausgeführt.